Anlässlich der in Hessen anstehenden Kommunalwahl hat der DGB Hessen-Thüringen heute der Landespresse seine Anforderungen an eine gute Kommunalpolitik vorgestellt.
Die Städte und Gemeinden als Lebensmittelpunkt der Menschen prägen maßgeblich die Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort. Daseinsvorsorge ist vor allem eine Aufgabe der Kommunen. Doch in Zeiten von klammen Kassen, fällt es vielen Kommunen schwerer diese Aufgabe zu erfüllen. Hinzu kommen die immensen Herausforderungen beim sozial-ökologischen Wandel der Industriearbeit und der Verkehrswende. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss sich die finanzielle Ausstattung der Kommunen an einer bestmöglichen Daseinsvorsorge und den gesellschaftlichen Herausforderungen ausrichten. „Die finanzielle Situation der hessischen Kommunen ist prekär.“, erklärte Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen. Durch das vom Land eingerichtete Sondervermögen wurden aktuell die Einnahmen der Kommunen zwar weitestgehend stabilisiert, doch nach wie vor fehlt es an Investitions- und Gestaltungsspielräumen. Rudolph fordert daher:„ Die finanzielle Ausstattung der Kommunen muss verbessert werden. Ohne handlungsfähige Kommunen, bleiben Daseinsvorsorge und eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaft auf der Strecke. Wir riskieren den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufgrund der Schwarzen-Null.“
Bezahlbarer Wohnraum braucht Investitionen!
„Bezahlbarer Wohnraum ist in vielen hessischen Städten Mangelware und die Mieten steigen stark.“, so der Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen. In den hessischen Städten ist die Angebotsmiete zwischen 2008 und 2018 stark gestiegen. So gab es in Kassel ein Anstiegt von 69 Prozent, in Frankfurt stieg die Angebotsmiete um 59 Prozent und in Gießen um 62 Prozent. „Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen einen immer größeren Teil des Einkommens für die Miete verwenden. Die Kommunen in Hessen brauchen einen Mietenstopp für alle Wohnungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten; Mieterhöhungen müssen auf maximal 1 Prozent begrenzt werden. Wir benötigen mehr öffentliche Investitionen in sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau. Städte müssen Wohnort für alle und nicht nur Arbeitsort sein.“, resümierte Rudolph. Eine zentrale Ursache für fehlenden bezahlbaren Wohnraum ist der Mangel an bezahlbarem Bauland. Zwischen 2010 und 2019 sind die Baulandpreise in Hessen im Schnitt um 22 Prozent gestiegen. „Bodenspekulation muss entgegengewirkt werden. Steigende Bodenpreise trieben die Mieten in die Höhe. Die Kommunen müssen daher langfristig für günstiges Bauland sorgen.“, erklärte Rudolph. Die Kommunen sind gefordert, mehr öffentliche Grundstücke zu erwerben, etwa durch kommunale Vorkaufsrechte und Bodenfonds. Öffentliche Grundstücke sollten nur an kommunale und gemeinwohlorientierte Unternehmen vergeben werden, die Vergabe öffentlicher Grundstücke auf Erbpachtbasis und nach Konzept erfolgen, wobei der Bau sozialer und bezahlbarer Wohnungen vorgeschrieben werden muss.
Gute Bildung gibt es nicht umsonst!
Durch die jahrzehntelangen Investitionsrückstände erfüllen viele Schulgebäude nicht mehr die heutigen Standards an modernes Lernen. Auch weisen die Investitions- und Unterhaltungsausgaben (in der langen Frist zwischen 1992 und 2018) große Unterschiede auf. Die Spannweite der durchschnittlichen jährlichen realen Ausgaben pro Schülerin/Schüler liegt zwischen 267 Euro in Kassel und 1.444 Euro im Hochtaunuskreis „Bildung muss vonseiten der Schulträger der Stellenwert eingeräumt werden, der immer postuliert wird. Die regional unterschiedliche Qualität der Schulgebäude in Hessen sorgt für unterschiedliche Chancen. Diese Ungleichheit gefährdet Zusammenhalt und Demokratie.“, so Sandro Witt, stellvertretender Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen. Die Investitionsrückstände im Bildungsbereich hätten, so der Gewerkschafter Witt, zudem massive Auswirkungen auf das Ganztagsangebot. Die bisherigen Zuweisungen des Landes reichen für die Finanzierung durch die Schulträger nicht aus, sodass Kommunen häufig Elternbeiträge erheben würden, die bis zu 200 Euro betragen. „Die Kommunen müssen dafür Sorge tragen, dass Schülerinnen und Schüler unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern ein Ganztagsangebot wahrnehmen können. Bildungsmöglichkeiten und Chancengerechtigkeit dürfen nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen abhängig sein.“
Gute Arbeit benötigt kommunale Investitionen!
Auch bei der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Einhaltung von Kriterien Guter Arbeit bei der öffentlichen Auftragsvergabe nimmt der DGB Hessen-Thüringen die Kommunen in die Pflicht. Die Industrie steht vor einem fundamentalen Wandel, der massive Auswirkungen auf die Beschäftigten und deren Arbeitswelt hat. Doch Industriepolitik wird nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern gerade auch in den Kommunen vor Ort gestaltet. „In den betroffenen Regionen müssen Politik, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Wissenschaft an einen Tisch, um gemeinsam den Wandel zu gestalten und Industriearbeit sozial und ökologisch nachhaltig zu sichern. Das geht beispielsweise durch Wirtschaftsförderung. Kommunalpolitik muss sich für die Sicherung von Industriearbeitsplätzen, Tarifbindung, gute Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung einzusetzen. Wir brauchen mehr Investitionen und Innovationen; in den Bereichen, Breitbandausbau, Elektromobilität, Ladeinfrastruktur und Wasserstoff sowie eine Qualifizierungsoffensive. Nicht zuletzt wird die Mobilitätswende nur durch den weiteren Ausbau der Schieneninfrastruktur und des ÖPNV gelingen.“ so Rudolph. Der DGB fordert zudem, dass Mittel aus der Wirtschaftsförderung nur Unternehmen zugutekommen, die tarifgebunden und mitbestimmt sind sowie Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung fördern. Als Mindestvoraussetzung sollten eine Beschäftigungs- und Standortgarantie gelten. „Arbeitsplätze werden auch auf kommunaler Ebene gesichert.“, erklärte Rudolph. „Gute Arbeit auf kommunaler Ebene bedeutet zudem, das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz, trotz aller Mängel auch auf der kommunalen Ebene umzusetzen.“ Der DGB fordert aktuell, die Vergabe von Aufträgen an ökologische und soziale Standards zu binden und so für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu sorgen. Das aktuelle Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz, welches auch als Leitlinie für die Kommunen gilt, wird diesem Anspruch nur in Ansätzen gerecht.
Mit den vorgestellten Eckpunkten verbindet der DGB Hessen-Thüringen eine inhaltliche Wahlempfehlung. Dazu erklärte Rudolph „Wir empfehlen, sich bei der Wahlentscheidung daran zu orientieren, welche Partei am ehesten die Belange von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berücksichtigt.“ Für Witt ist klar: „Rechte und rechtspopulistische Parteien gehören nicht dazu.“
Quelle: https://hessen-thueringen.dgb.de/presse/++co++0927dc0e-6d0d-11eb-be71-001a4a160123
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