Die Nachrichten über die schrecklichen Morde in Hanau platzten mitten in unsere Vorbereitung des Rock-Konzertes „Digging‘ Gabriel“. Veranstalter und Band überraschten sich gegenseitig mit Spendenaktionen. 500 Euro wurden schließlich an den Verband Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt – VBRG für die Opferfamilien überwiesen. Ein Zeichen von Trauer und Mitgefühl, aber noch keine richtige Antwort auf die rechtsextreme Gewalt. Kann man jetzt überhaupt noch feiern und mit Lebensfreude, Offenheit und Toleranz unseren kosmopolitischen Lebensstil weiter ausleben und vielleicht sogar noch über die universelle Idee der Gleichheit aller Menschen diskutieren? Die Antwort ist klar: Wer zuckt, verliert – und lässt sich die Gestaltung der Zukunft aus der Hand nehmen. Rassisten sind Hütchenspieler: Wo „Fliegenschiss“ draufsteht, ist der Zweite Weltkrieg drin. Rechte Gewalt und Rassismus lähmt unsere Teilnahme am öffentlichen Leben, an Kneipenbesuchen, Festen und kulturellen Veranstaltungen. Es wird uns ein “Kampf der Kulturen“ vorgegaukelt, den es nicht gibt. Die Musikszene erfährt fortlaufend eine dynamische zeitgemäße Entwicklung, weil verschiedene Stile aufeinandertreffen und kreative Musiker neue Formen finden. Es ist die kulturelle Vielfalt, die uns letztlich Musik präsentiert, mit der wir uns alle wohlfühlen – zumal wir ja auch die Freiheit haben, uns unter den vielen Strömungen die schönste auszusuchen. In den Alpen wurde früher das Alphorn geblasen und in Australien das Digeridoo. In den Stuben wurden früher Zithern gezupft, aber heute werden in den Proberäumen ganz andere Saiten aufgezogen. Nicht weil Zither, Digeridoo und Alphorn „wertlos“ geworden sind, sondern weil ihre Kompositionen mit jenen von tausenden anderen Instrumenten die Quellen unserer heutigen vielfältigen Musik sind. Es gibt keinen „Kampf der Kulturen“. Die Leute stimmen mit den Füßen ab und gehen dorthin, wo sie sich wohlfühlen. Eine „deutsche Leitkultur“ zu fordern, klingt zunächst wie ein harmloser unpassender Griff in die Mottenkiste. Aber im Kern wird hier die Hinterlist der Hütchenspieler deutlich: Nach außen wird behauptet, dass die kulturellen Werte anderer Ethnien nicht zu den Werten einer “deutschen Leitkultur” passen, aber unter den Hütchen steckt purer Rassismus mit dem Vorwurf, andere Kulturen seien rückständig.
Dieter Stein, Vorstand der Initiative „Open World e.V.“, Rodgau
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