Die Bundesrepublik Deutschland hat den Zustand der Verstrickung staatlicher Strukturen mit rechtem Gedankengut nie überwunden. Das hat schon mein Großvater Alphonse Kahn unter der Regierung Adenauer zu spüren bekommen.
Dass diese Strukturen in den letzten Jahren jedoch offen zutage treten können, ohne dass gegen sie ernsthaft ermittelt wird, ist eine Entwicklung, die uns aufhorchen lassen und zu lautstarkem Protest veranlassen sollte.
Eine Studie explizit zum Thema Rassismus in der Polizei will Innenminister Seehofer nicht in Auftrag geben. Die von Seehofer angekündigte Untersuchung zielt vielmehr auf Gewalt gegen die Polizei und auf die Motivation von Polizist:innen bei ihrer Berufswahl ab. Auch solle es darum gehen, dass Rechtsextremismus und Rassismus mit „null Toleranz“ begegnet werde. Untersucht werden soll dabei die Polizei von… der Polizei! Die Deutsche Hochschule der Polizei soll mit Handlungsempfehlungen die Arbeitszufriedenheit und Motivation von Polizei-Beamt:innen verbessern.
Auch der hessische Innenminister Beuth ist immer noch der Auffassung, die hessische Polizei stünde mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Verfassung. Eine Befragung hessischer Polizist:innen zu ihrer politischen Einstellung stellte Beuth zufrieden: 20 % mäßig Rechte und 1,7 % Rechte und ausgeprägt Rechte. Das sei zufriedenstellend. Die Auffassung, NS-Verbrechen würden vielfach übertrieben dargestellt, sei hinnehmbar, so auch die verbreitete Angst vor Islamisierung. Handlungsbedarf bestehe hingegen bei der Diskriminierung, die Polizei-Beamt:innen erleiden müssten.
Sind das wirklich die Konsequenzen, die wir uns hinsichtlich offenkundigem strukturellem Rassismus innerhalb staatlicher Behörden wünschen?
Für Betroffene ist struktureller Rassismus ein ständiger Ausnahmezustand: zu jeder Zeit auf der Hut sein zu müssen vor Racial Profiling, anlasslosen Polizeikontrollen, wie sie die hessische Polizeigewerkschaft fordert, vor rassistisch motivierter Gewalt, rechtem Terror und rechtsradikalen Morden, ist leider Alltag geworden in unserem Land.
Anstatt Menschen, die Schutz bei uns suchen, menschenwürdig aufzunehmen, bestreiten deutsche Behörden und Politiker:innen immer noch, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt. Der Freispruch Markus H.´s zeigt einmal mehr: Die Untersuchung von Hintergründen ist nicht gewünscht, nationalsozialistisches oder völkisch-nationalistisches Gedankengut und damit einhergehende Straftaten werden weiterhin als Einzelfälle behandelt.
Um das zu verhindern, braucht es eine andere Politik, einen ernst zu nehmenden politischen Willen:
Deshalb gebe ich meine Stimme ab für Vielfalt und Antifaschismus und gegen rechte Hetze!
Martina van Holst, Enkeltochter von Alphonse Kahn und Tochter von Anne Kahn
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