Meine Eltern, die im Widerstand gegen Hitler kämpften, Gefängnis und Folter durchlitten, Angehörige in Auschwitz verloren, hatten sich nicht vorstellen können, dass in Deutschland, nach all dem was passiert war, heute wieder ein Klima des Rassenhasses geschürt, Hetze gegen Jüd:innen, Geflüchtete und Migrant:innen, Menschen anderer Religionen, Andersaussehende und Andersdenkende verbreitet werden könnte.

Sie hätten es nicht für möglich gehalten, dass Politiker heute ungestraft das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnen, die Verbrechen der Nazis bagatellisieren können.
„Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz“ – wie sich dieser Ausspruch von Bertolt Brecht bewahrheitet!
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass unsere ausländischen Nachbarn diskriminiert, kriminalisiert oder gar abgeschoben werden, dass Menschen im Meer ertrinken, weil ihnen ein Leben in Würde und Sicherheit verweigert wird, dass Neonazis demokratiefeindliche und rassistische Hetze verbreiten, die in Gewalt gegen Menschen anderer Ethnien oder Religionen enden kann, wie die Terroranschläge in Hanau und Halle zeigen.
Deshalb werde ich alles daran setzen, die demokratischen Kräfte in unserem Land zu stärken, die sich gegen Militarisierung und Kriege, gegen Rassismus, Antisemitismus und für soziale Gerechtigkeit einsetzen.
Silvia Gingold
Biographie Ettie und Peter Gingold
Ettie Gingold (11.02.1913 bis 03.06.2001) und Peter Gingold (08.03.1916 bis 29.10.2006) lernten sich in der Emigration in Frankreich kennen, wohin sie vor der antisemitischen Verfolgung flohen. Sie schlossen sich dem französischen Widerstand, der Résistance an. Nach der Befreiung von Krieg und Faschismus engagierten sich beide politisch für Frieden, Völkerverständigung und gegen Rassismus. Etties Engagement bei der Unterschriftssammlung für den „Krefelder Appell“ in den 80er Jahren ist legendär. Beide waren bis zu ihrem Lebensende aktiv als Zeitzeugen unterwegs.
Zitat Peter Gingold: „1933 wäre verhindert worden, wenn alle Gegner der Nazis ihren Streit untereinander zurückgestellt und gemeinsam gehandelt hätten. Dass dieses gemeinsame Handeln nicht zustande kam, dafür gab es für die Hitlergegner in der Generation meiner Eltern nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist. Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet. Für alle zukünftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern!“ – Peter Gingold: Paris – Boulevard St. Martin No. 11
Büchertipp: Gingold, Peter: Paris – Boulevard St. Martin No. 11, Ein jüdischer Antifaschist und Kommunist in der Résistance und der Bundesrepublik, Hrsg. von Ulrich Schneider, Neue Kleine Bibliothek 136, 187 Seiten, zahlr. Abbildungen, 6. Auflage, erschienen im Juli 2019, ISBN 978-3-89438-407-4
Zitat Ettie Gingold: „Während der Nazizeit haben wir niemals den Friedenskampf aufgegeben. Im Krieg haben wir gegen den Krieg gekämpft. Wir haben dafür alles in Kauf genommen, Gefängnis, Zuchthaus, KZ, Folter, ja, das Todesurteil… Wir, die noch in Freiheit lebenden Widerstandskämpfer wussten nicht, ob wir morgen in den Händen der SS sein werden. Da haben wir uns geschworen: Sollten wir überleben, wir werden alles tun, damit nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, nie wieder ein Weltbrand von deutschem Boden ausgeht!… Diesem Schwur sind wir treu geblieben.“
Aus der Rede von Ettie Gingold 1983 auf der großen Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten, zitiert von Silvia Gingold zum 40. Jahrestag des Krefelder Appells am 15. November 2020 in Frankfurt am Main.
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